Impulspapier zum Thema Gemeindegründung


Wie kam es überhaupt zum Netzwerk Gemeinde-Pflanzen.net? Auslöser war ein Impulspapier, dass die Vikare Jonathan Berschauer und Marcel Fischer mit der Unterstützung von mehreren anderen pastoralen Mitarbeitern verfassten. Nach Gesprächen mit Verantwortlichen im Erzbistum Paderborn gab es den Auftrag diese Thema auf breiter Basis mit weiteren Interessenten zu verfolgen.
Zunächst richtete sich dieses (hier in der Online-Version minimal abgewandelte) Impulspapier an Verantwortliche im Erzbistum Paderborn. Wir hoffen nun, dass dieses Impulspapier für alle nützlich sein kann, die sich mit der Zukunft der Kirche beschäftigen.

Für Unterstützer aus dem Erzbistum Paderborn: Ihr unterstützt das im Impulspapier formulierte Anliegen und habt Lust an dieser neuen Form von Pastoral mitzuarbeiten? Schreibt uns kurz eine Nachricht, damit wir uns besser austauschen können. Schön auch, wenn du ein Mitglied unseres Netzwerkes wirst und dich in die Mitgliederliste eintragen lässt.


Hier findet ihr das Impulspapier auch als PDF:


Missionsgemeindegründungs-Pilotprojekte – Impuls zum Diözesanen Weg „Erzbistum Paderborn 2030+“

Entwurf! Stand: 27.1.2022, JB

Als junge Priester und Mitarbeiter der weiteren pastoralen Dienste verfolgen wir mit großem Interesse den Diözesanen Weg „Erzbistum Paderborn 2030+“. Uns freut, dass das Erzbistum Paderborn damit konkrete Schritte in die Zukunft macht und wir haben den Eindruck, dass wir damit sehr gut aufgestellt sind. Angesichts der Tatsache, dass wir – so Gott will – vermutlich noch zum Teil vierzig und mehr Jahre in unserem Erzbistum dienen werden und wir uns in existenzieller Weise dieser Ortskirche verschrieben haben, liegt uns die zukünftige Entwicklung unseres Erzbistums sehr am Herzen.

Da wir persönlich zum Teil eine große Ratlosigkeit und Resignation in den pastoralen Teams und den Menschen vor Ort wahrnehmen – auch nach den ersten Startveranstaltungen zum Zielbild 2030+ –, möchten wir in diesem Dokument auch als späten Nachgang zum Forum U40 einen konstruktiven Beitrag zur Realisierung des Zielbildes 2030+ leisten: die pilothafte Pflanzung1 / Gründung von neuen (Missions-)Gemeinden.2 Wir sehen uns u. a. durch das Zielbild dazu verpflichtet diesen Impuls einzubringen3 und erhoffen uns damit vor allem die vermehrte Erfahrung von Wirksamkeit, Wachstum und einer erhöhten Zielerreichung des kirchlichen Auftrags. In einem kurzen ersten Teil möchten wir noch einmal die persönliche Dringlichkeit von tiefergehenden Veränderung und neuen Ansätzen verdeutlichen. In einem zweiten Schritt möchten wir kurz auf das Instrument der Gemeindegründung eingehen und im Anschluss Werte und Eckpfeiler formulieren, die unseres Erachtens bei einer Gemeindegründung wichtig sind. In einem letzten Schritt wollen wir den Vorschlag bzgl. Gemeindegründungen in die Diskussion mit einbringen und dabei konkrete Maßnahmen vorschlagen.

Zahlreiche hier beschriebene Annahmen und Aussagen werden Ihnen aus dem Zielbild 2030+ sehr bekannt vorkommen – sie dienen hier oft nur der Bestätigung des Zielbildes, welches wir als sehr hilfreich empfinden. Wir glauben, dass das Instrument der Gemeindegründung die systematische Entwicklung nach dem Zielbild 2030+  ergänzend und wirkungsvoll fördern kann. Dabei wollen wir das Instrument der Gemeindeneugründung nicht als rein organisatorischen Akt verstanden wissen, sondern eher als Raum und Hilfsstruktur, um die Dynamik der Evangelisierung zu unterstützen.4

1 Aktueller Ist-Stand – Dringlichkeit

„Was brauchen wir, damit wir in 15 Jahren noch gut und gerne im Erzbistum Paderborn arbeiten?“ (vgl. Ausgangsfrage des „Forum U40“)
Weshalb ist für uns junge Mitarbeiter eine hohe Dringlichkeit zum Handeln vorhanden?

Hier gibt es zwei Seiten – die Seite der Daten und Fakten, und die Seite der Emotionen. Auf der Seite der statistischen Daten haben wir den Eindruck, dass viele Gemeinden sich in einem starken Abwärtstrend befinden bzw. diesen schon hinter sich haben, wenn die Erfüllung der vier Grundaufträge von Kirche5 ein Maßstab, und Wachstum und Entwicklung Zeichen davon sind. Spätestens mit der Corona-Krise ist nur noch ein unterer einstelliger Prozentsatz der im Meldewesen registrierten Katholiken z. B. beim Gottesdienst anzutreffen6 – in den jüngeren Generationen sind es noch erheblich weniger und tendiert mancherorts gegen Null. Die Wahlen der Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände machen nicht nur auf der Seite der gewählten Mitglieder einen zahlenmäßigen Rückgang deutlich – sodass es oft nur Bestätigungswahlen gibt –, sondern auch auf der Seite der Wählenden, wo die Wahlbeteiligung manchmal nur noch im Promillebereich liegt. Bei einem Prognosemodell, das die bisherige fast lineare Entwicklung der Gottesdienstbesucher linear fortschreibt, wird die Nulllinie an Gottesdienstbesuchern in mehreren Fällen schon vor dem Jahr 2030 erreicht.7 Die zum Teil noch optimistischen Prognosemodelle in Bezug auf die Kirchenfinanzierung, die zahlenmäßige Entwicklung der pastoralen Mitarbeiter etc. brauchen an dieser Stelle nicht weiter erwähnt werden.8 Neben der Daten-Seite gibt es aber auch noch die Seite der persönlichen Wahrnehmung, die uns selbst noch mehr betrifft. Exemplarisch soll hier folgende Aussage aus einem persönlichen Gespräch sein: „Nach drei Monaten Dienst reden wir wie Mitarbeiter, die 20 Jahre im Dienst sind … Wie sollen wir die kommenden fünf Jahre überleben – ohne zu verzweifeln, ohne zu resignieren und ohne ähnliche Konsequenzen wie Mitbrüder / Mitarbeiter in den letzten Jahren zu treffen – die Aufgabe des Dienstes?“
In mehreren persönlichen Gesprächskreisen wird diese Sichtweise bestätigt. Viele der (jungen) Mitbrüder und Kollegen haben das Gefühl von Sinnlosigkeit, da sie den Eindruck gewinnen, in veraltete Systeme hineingepresst zu werden, bei denen es nicht um Wachstum oder die Erfüllung des eigentlichen kirchlichen Auftrags geht, sondern um die Aufrechterhaltung bestehender Strukturen und „vorkonziliarer“ Rollenbilder, die Gläubige in einer Unmündigkeit belassen. Ein pastorales Handeln, das gefühlt von Wirkungslosigkeit und oftmals durch Widersprüche zu kirchlichen Werten wie Wahrhaftigkeit geprägt ist,9 führt bei vielen zu Resignation, Ratlosigkeit, Frustration, Enttäuschung und Ausgebranntsein, zumal sich dies oft jährlich mit großem Mitteleinsatz und gleichem Ergebnis wiederholt.10
Wir erleben bei vielen Mitbrüdern und Kollegen, dass bisherige Arbeitsstrukturen oftmals nicht erfüllend sind, manche das Gefühl haben zwischen verschiedenen Ansprüchen zerrieben zu werden und sich selbst in jungen Jahren bei manchen schon gesundheitliche Beeinträchtigungen zeigen. In der Not werden dann Auswege in spezielle kategoriale Felder oder Nischenprojekte gesucht, um dort zu „überwintern“. Auf die Aufgabe des Dienstes und manche schädlichen Lösungsstrategien wollen wir hier gar nicht eingehen. Wir stellen somit an uns selbst fest, wie schwierig es ist angesichts der derzeitigen Rahmenbedingungen dauerhaft freudig und zuversichtlich zu handeln.
Unsere persönliche Gottesbeziehung, individuelle seelsorgliche Kontakte und die inspirierenden Berichte von funktionierenden Evangelisierungsversuchen auf der ganzen Welt (z. B. das Zentrum Johannes Paul II in Wien11) „retten“ uns nicht nur in einer solchen Situation, sondern erfüllen uns oftmals mit großer Freude. Dennoch merken wir, wie sehr wir hinter unseren Möglichkeiten bleiben. Wir wünschen uns deshalb, dass noch mehr als bisher im Erzbistum Paderborn Evangelisierungsaufbrüche, wirksames pastorales Handeln nach dem Auftrag Jesu („Macht alle Völker zu meinen Jüngern“ Mt 28,19), systematisch und zum Teil noch radikaler unterstützt werden.

2 Warum das Instrument Gemeindegründung?

Unseres Erachtens hat sich bei der Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte gezeigt, dass eine flächendeckende Evangelisierung nach dem „Gießkannenprinizip“, also alles irgendwie gleich zu behandeln, vor allem aufgrund kultureller und systemischer Beharrungskräfte kaum möglich ist. Das „territoriale Gleichheitsprinzip“ ist auch angesichts des sich abzeichnenden Ressourcenmangels unseres Erachtens aus gutem Grund spätestens mit dem Zielbild 2030+ zum großen Teil an ein Ende gekommen – auch wenn wir die notwendige Priorisierung und Kräftebündelung hier noch stärker betonen würden. In der Praxis führt die fehlende Fokussierung oftmals zu einem Zerreiben der beteiligten Personen. Das Zielbild 2030+ bringt in diesem Kontext nun die sogenannten Pastoralen Zentren12 ins Spiel. Bisher ist für uns noch nicht klar, wie diese Pastoralen Zentren inhaltlich gefüllt werden, ob manche „geistliche Zentren“ dazugehören würden und vor allem, wie das konkrete Zusammenspiel mit den Pastoralen Räumen gedacht werden soll. Wir möchten deshalb vorschlagen, diese Pastoralen Zentren nicht im Sinne einer rein organisatorischen Konzentrierung zu verstehen, oder als Fortführung einer bestehenden Kultur unter anderen organisatorischen Rahmenbedingungen, sondern eher als eine Art Neugründung von (Missions-)Gemeinden, bei der die Chance besteht, einen wirklich missionarischen und damit auch diakonischen Akzent zu setzen.13 Das Mittel „Gemeindegründung“ (unter anderem in Form von Neugründung oder Ausgründung / Spin-off) hat sich schon in der Vergangenheit als probates Mittel erwiesen. Im Ordensbereich ist dies besonders gut nachzuvollziehen.14 Hier wurden notwendige Reformen meist durch komplette Ordensneugründungen (Reformorden) oder zumindest durch die Neugründung von Niederlassungen umgesetzt. Selten wurden bestehende Klöster „einfach nur reformiert“. Auch im gemeindlichen Kontext war und ist die Gemeindegründung ein bewährtes Mittel15 – auch wenn dieses Mittel in den letzten Jahrzehnten oftmals unter rein organisatorischen Gesichtspunkten eingesetzt wurde.16
Andere Konfessionen haben mit diesem Instrument mehr Erfahrungen.17 Theologisch gesehen spiegeln sich bei der Gemeindegründung zwei Gleichnisse Jesu auch im Leben des kirchlichen Organismus wider: Das Gleichnis vom Weizenkorn, das sterben muss um reiche Frucht hervorzubringen (Joh 12,24), und das Gleichnis vom Feigenbaum, der umgehauen wird, wenn er keine Frucht bringt (Lk 13,6-9). Wenn organisatorische Rahmenbedingungen (u. a. Gemeinden) nicht mehr für das Wachstum förderlich sind, sterben sie im guten Sinne, wenn sie dabei neue Pflanzen (Gemeinden) ermöglichen. Manchmal ist es auch notwendig mit einer größeren Radikalität bestehende nicht-dienliche Strukturen zu beenden, damit neue Pflanzen überhaupt erst Nahrung und Platz zum Wachsen haben.

Für uns sind die aktuell notwendigen Veränderungsprozesse mit der für uns notwendigen Geschwindigkeit oftmals nicht mit den Ressourcen und Rahmenbedingungen leistbar, wie wir sie überwiegend in den pastoralen Strukturen vor Ort vorfinden. Aufgrund von Ressourcenmangel ist unseres Erachtens die noch stärkere Fokussierung und der Neubeginn ein Gebot der Stunde. Ein kultureller und organisatorischer Veränderungsprozess „alter Strukturen“, bei dem alle Personen in gleichem Maße mitgenommen werden sollen und bei dem oftmals auch „fremde“ Themen bearbeitet werden müssen (wie die hohe Identifikation mit Gebäuden und bestehenden Gemeindestrukturen), hat sich in aller Regel als nicht-leistbar herausgestellt. Stattdessen könnte man vielmehr mit einer „Koalition der Willigen“, die eine gemeinsame Zielvorstellung haben, als „First Mover“ arbeiten. Es könnten in kleinem Rahmen „best practices“ und „lesson learned“ entstehen, die aufgrund von wirklicher Erfahrbarkeit von Gottesbeziehung und Wachstumauch in anderen Gemeinden notwendige Motivationen für eine Veränderung freisetzen können. Wir denken, dass das Instrument der Gemeindegründung vor allem Raum für die Evangelisierungs-Motivation von jüngeren Gläubigen und Mitarbeitern bietet, die ohne eine solche organisatorisch gesicherte Wachstumsperspektive ihre Zukunft bspw. in diversen Orden und geistlichen Gemeinschaften suchen oder komplett abwandern.18

3 Angestrebte Werte bei Gemeindegründungen

Welche Werte sind uns bei einer zukünftigen Pastoral und bei der Gründung von Gemeinden wichtig?

  • Wir wollen Wirksamkeit – und setzen uns deshalb für ein strategisches, systematisches Vorgehen mit einer klaren Vision und konkreten, messbaren Zielen ein. Wir denken, dass eine systematische Gemeindeentwicklung und ein systematischer Prozess die individuelle Gottesbeziehung und Glaubensentwicklung am besten unterstützen und fördern kann.19 Dies setzt vor allem eine Fokussierung, Priorisierung und Zielorientierung voraus.

  • Wir glauben, dass die Orientierung am Grundauftrag der Kirche20 die „gesündeste“ Art ist dem Auftrag Gottes zu folgen. Für uns ist dabei die Evangelisierung das Gebot der Stunde.21 Dies bedeutet für uns vor allem: eine persönliche Beziehung zu Gott und Jüngerschaft.22

  • Um Jüngerschaft zu fördern braucht es für uns – neben der grundlegenden Gottesbeziehung – verstärkte systematische Anstrengungen im Bereich der jeweils individuellen Verstandes-, Herzens- und Willensbildung, um dialog- und handlungsfähig in der Welt von heute zu sein.

  • Wir sehen für uns die Anbetung Gottes und den heilsame Dienst (Diakonie) an den Menschen im Zentrum.

  • Wir wollen Wahrhaftigkeit – eine Übereinstimmung zwischen dem, was wir sagen, was wir glauben und dem, was wir tun. Das schließt ein, dass wir z. B. bei der Sakramentenspendung mehr darauf achten wollen, dass die Versprechen und Bekenntnisse die wir ablegen, sich auch im Leben widerspiegeln.23 Um diese Wahrhaftigkeit und Angemessenheit sicherzustellen, denken wir neben einer individuellen Förderung von Unterscheidung, Entscheidung und Wachstum, auch im Rahmen der überlieferten Lehre über verschiedene (neue) Formen von Segnungen und caritativen Angeboten nach (vgl. bspw. die Lebenswendefeiern in den Ostbistümern), um Heilung und Zuspruch zu verwirklichen.24

  • Wir sind uns bewusst, dass wir aufgrund mangelnder Ressourcen in Kauf nehmen müssen, dass wir nicht alle Menschen in gleichem Maße und zur gleichen Zeit auf dem Weg der Zielerreichung mitnehmen können. Dies ist für uns kein Ziel, aber unseres Erachtens notwendig und unweigerlich. Ohne stringent verfolgte Zielerreichung lassen wir auf Dauer noch viel mehr Menschen auf der Strecke (nämlich die 95%, statt die 5%).

  • Wir glauben, dass eine Fokussierung auf die Gottesbeziehung und den in Treue und Kontinuität überlieferten katholischen Glauben bei der Evangelisierung hilfreich ist und andere (kirchenpolitische) Themen eher ablenken.25

  • Wir denken, dass es wieder stärker Formen der Entscheidung zum Glauben braucht (z. B. im Kontext einer Tauferneuerung). Deshalb sehen wir in zukünftige Gemeinden auch Elemente einer Entscheidungsgemeinde, die einen höheren Anspruch nach innen vertritt – und zugleich einen höheren Zuspruch nach außen.26 Entschiedenheit hat für uns jedoch nichts mit Exklusivität oder Elitedenken zu tun.

  • Wir glauben, dass bei zukünftigen Teams die gemeinsame Basis (in Form von geteilter Vision, Strategie, Werte etc.) für eine effiziente und effektive Evangelisierung konstitutiv ist. Dies schließt nicht die unterschiedlichen Charismen und die individuellen Schwerpunkte (bspw. bei den priesterlichen munera27) aus. Eine Teambildung sollte in diesem Hinblick systematisch gestaltet werden.

  • Wir sehen es als wichtig an, uns mit der Lebenswelt der Menschen zu beschäftigen und in der Welt zu sein, um Evangelisierung effektiv zu gestalten und den Menschen in ihren Nöten dienlich zu sein. Dies schließt ein, dass wir die Wahrnehmung von Pflichten beim gemeinsamen Priestertum ansprechen und fördern (als Sauerteig in der Welt wirksam zu sein28 und vom persönlichen Glauben Zeugnis abzulegen). Wir verstehen uns auch als kritisches Korrektiv mit einem prophetischen Dienst in der Welt.29

4 Konkrete Vorschläge für Gemeindegründungen im Erzbistum Paderborn

Die bisherigen Punkte konnten nur ansatzweise ansprechen, wie wir uns das Instrument der Gemeindegründung vorstellen. Für eine weitere Vertiefung und Umsetzung schlagen wir deshalb vor (die jeweiligen Zahlen sind hier nur als erste Vorschläge zu denken, die weiter eruiert werden müssen):

  • Es werden Vorsondierungen, Lernreisen, Konferenzen u.ä. veranstaltet, um das Thema Gemeindegründung im Hinblick auf eine Umsetzung im Erzbistum Paderborn zu untersuchen. Dabei werden Strategien zur Konflikt- und Risikominimierung (vor allem auch in Bezug auf bestehende Gemeinden / Pastorale Räume) untersucht und entwickelt.

  • Es wird eine Starter-Konferenz (ggf. mit regelmäßigen Wiederholungen und/oder mehreren Teilen) veranstaltet, auf der Interessenten für eine Gemeindegründung zusammengebracht werden und wo Beteiligte ihre Gemeindegründungs-Konzepte vorstellen können. Ziel der Konferenz ist es im Nachgang mögliche Gründungsteams zu identifizieren. Essentiell für Gründungsteams ist eine grundlegende, gemeinsame Vision30, strategische Bausteine, gemeinsame Werte und grob vereinbarte Rollen/Aufgabenbereiche. Die jeweiligen Fähigkeiten der Teilnehmer werden dabei systematisch identifiziert (z.B. durch entsprechende Tests oder durch eine Reflexion der bisherigen munera-Schwerpunkte [lehren, leiten, heiligen / Gemeinschaft, Lehren/Lernen, Dienst am Nächsten, Mission etc.). Die Erstellung der Vision und Strategie wird bei Bedarf moderierend begleitet, damit keine „kleinsten gemeinsamen Nenner“ entstehen.

  • Im Erzbistum Paderborn werden 3-5 Piloten eingerichtet und mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet, bei denen mit einem Gründungsteam eine Gemeindegründung versucht wird. Die Gemeindegründungen können sich perspektivisch zu Pastoralen Zentren entwickeln.

  • Für jede Gemeindegründung stehen zunächst mindestens 300% Stellenumfang zur Verfügung, die auf ein multiprofessionelles Team aufgeteilt werden. Die Teammitglieder erhalten eine vollständige Freistellung für diese Gemeindegründung. Falls eine Mitarbeit in bestehenden Pastoralen Räumen erfolgt, werden Zuständigkeiten und Arbeitsumfänge klar geregelt.

  • Für die finanzielle Seite stehen für mindestens 5 Jahre gesicherte Mittel zur Verfügung, die unter Umständen an bestimmte Bedingungen geknüpft sind (bspw.: es dürfen nicht mehr als 50% des normalen Haushalts für Immobilien verwendet werden). Ein stärkeres Engagement im Bereich Fundraising wird gefordert und gefördert. Um die Gemeindegründungen im Rahmen der Schlüsselzuweisung abzubilden, können perspektivisch Mitglieder im Meldewesen entsprechend abgebildet werden (vgl.: muttersprachliche Gemeindemissionen).

  • Es werden – unter Umständen in Kooperation mit den bestehenden Pastoralen Räumen – ausreichend Raumressourcen zur Verfügung gestellt, die an die Bedürfnisse angepasst werden können. Ggf. können durch ausreichende finanzielle Ressourcen geeignete Räume angemietet werden.

  • Für die Gemeindegründung stehen bis zur Eigenständigkeit 5-10 Jahre zur Verfügung. Die Teammitglieder und die Neugründung behalten für diesen Zeitraum eine Stellensicherheit. Der Fortschritt der Gemeindegründung wird regelmäßig evaluiert.

  • Der Gemeindegründungs-Pilot wird nach Prüfung (u.a. im Hinblick auf Teamzusammensetzung, eine missionarische Vision und Loyalität gegenüber Bischof und Gesamtkirche) in Kraft gesetzt. Unter anderem die Mittelzuweisung an die Gemeindegründung wird an Qualitätsziele (z.B. eine vorhandene Zieldefinition und Evaluation) gebunden.

  • Die Gemeindegründungen achten auf eine (über)diözesane Kooperation und zugleich – vor allem im Hinblick auf bestehende Pastorale Räumen – auf ihre Eigenständigkeit, sodass keine „Kannibalisierung“ bzw. Vereinnahmung geschieht.

  • Die Gemeindegründungen legen die Priorität auf Evangelisierung (ohne dabei die anderen Bestandteile von Kirche zu vernachlässigen – vgl. KKK 811ff). Sie „sakramentalisieren“ nicht nur. Sie legen Wert auf persönliche Entscheidung und systematisches Glaubenswachstum.

  • Gemeindegründungen vereinbaren messbare (SMARTe) Ziele, die die Wirksamkeit des Handelns zeigen und unterstützen. Die Zielerreichung wird dabei durch einen systematischen Prozess unterstützt. Die Ziele orientieren sich dabei vor allem an der evangelisierenden Priorität und weiteren Zielen (Qualitätsentwicklung etc.) des Zielbilds 2030+.

  • Die Gemeindegründungsteams werden durch regelmäßige Supervision unterstützt.

  • Die Gemeindegründungsteams treffen sich einmal jährlich zu einer Netzwerkkonferenz, auf der u.a. best practices ausgetauscht werden. Das Labor-E (oder eine andere Stelle) sichert dabei die Ergebnisse und berät und unterstützt zukünftige Interessenten und Teams, die eine Gemeindegründung anvisieren.

5 Wachstum im Erzbistum Paderborn

Wir schauen mit Zuversicht auf die Zukunft unseres Erzbistums, weil wir sehen, wie viel bisher geleistet wurde und wie viel Potential hier versammelt ist. Wir wissen, dass der Vorschlag von missionarischen Gemeindeneugründungen mit nicht unerheblichen Risiken, Konflikten und Kraftanstrengungen verbunden ist. Dennoch sind wir davon überzeugt, dass die Chancen, die in dieser Wiederentdeckung eines bewährten Evangelisierungsinstrumentes liegen, die Risiken deutlich überwiegen. Wir können uns vorstellen, dass unser Impuls zahlreiche Fragen aufwirft und nach Konkretion „schreit“. Aufgrund der hier anvisierten Länge möchten wir in diesem Impulspapier auf weitere Ausführungen verzichten. Vielmehr würden wir uns über einen gemeinschaftlichen Austausch zu diesem Thema freuen und hoffen, dass wir mit diesem Vorschlag einen Beitrag für ein weiteres gedeihliches Wachstum leisten können.

Salus et gratia!

Als Ansprechpartner stehen gerne zur Verfügung:
Vikar Jonathan Berschauer,
jonathan.berschauer@katholisch-in-lippstadt.de, Klosterstr. 5, 59555 Lippstadt.
Vikar Rolf Marcel Fischer,
m.fischer@pr-brakel.de, Sepkerweg 3, 33034 Brakel.

6 Anhang


Die Grafik zur Statistik finden Sie ganz unten.


1Folgend soll hier vor allem der Begriff „Gemeinde(neu)gründung“ verwendet werden, da dieser auf den ersten Blick deutlich macht, was wir beabsichtigen. In der weiteren Beschäftigung mit diesem Thema ist vielleicht auch eher der Begriff „Gemeindepflanzung“ – von dem im angelsächsischen Bereich verbreiteten Begriff „church planting“ – geeignet, den damit verbundenen organischen Prozesses und die Abhängigkeit von Gott passender auszudrücken („Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber ließ wachsen.“ 1 Kor 3,6).

2„Gemeinde“ ist hier immer im weiteren Sinne verstanden – also nicht nur die klassische organisatorische und rechtlich fixierte Form der Pfarrgemeinde. Nach einer längeren Gründungsphase könnte hier das rechtliche Konstrukt der Missionsgemeinde (Missio cum cura animarum) bzw. eine (Quasi-)Personalgemeinde/-pfarrei entstehen, wie sie heute schon z. B. bei Hochschulgemeinden, muttersprachlichen Gemeinden, Ritengemeinden oder eben in Diasporagebieten anzutreffen sind.

3„Wir im Erzbistum Paderborn gewinnen Zukunft, wenn wir gemeinsam realistische, attraktive und funktionierende Wege in die Zukunft gehen, die uns motivieren und neu zusammenbringen. Dabei haben wir die kommenden Generationen im Blick.“ (Zielbild 2030+, S. 5) Wir hoffen, dass wir als junge Mitarbeiter durch einen neuen, ungeprägten Blick einen sinnvollen Beitrag auch im Sinne einer lernenden Organisation leisten können – ganz im Sinne der Regel des Heiligen Benedikt: „Dass aber alle zur Beratung zu rufen seien, haben wir deshalb gesagt, weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist.“ (Benediktsregel: Kapitel 3, 3).

4Vgl. Papst Franziskus: Evangelii Gaudium 25-26.

5Vgl. KKK 811ff.

6Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz: Katholische Kirche in Deutschland Zahlen und Fakten 2020/21; „Glauben treu, froh und gewinnend leben“ – Stellungnahme von Generalvikar Alfons Hardt zur Kirchenstatistik 2020.

7Vgl. die Berechnungen von Valentin Dessoy und eigene Berechnungen, siehe Anhang.

8Vgl. u.a. die Projektion 2060 von Fabian Peters und David Gutmann, sowie Montagsakademie 2.11.2020, Christoph Jacobs.

9Hier sei als Beispiel der Bereich der Sakramentenspendung genannt, in dem Sakramente z. T. wissentlich bzw. mit dem „Prinzip Hoffnung“ ohne eine grundlegende Zustimmung zum Glaubensbekenntnis oder der geäußerten Versprechen gespendet werden.

10Es ist der „graue Pragmatismus des kirchlichen Alltags, bei dem scheinbar alles mit rechten Dingen zugeht, in Wirklichkeit aber der Glaube verbraucht wird und ins Schäbige absinkt.“ (Joseph Ratzinger: Die augenblickliche Situation des Glaubens und der Theologie. Hier in: Evangelii Gaudium 83 bzw. Brief von Papst Franziskus an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland, 6.

11Im katholische Bereich hier vor allem: James Mallon, Michael White, Zentrum Johannes Paul II in Wien, Gemeinschaft Sankt Martin etc. pp. Im angelsächsischen und freikirchlichen Bereich aber auch Rick Warren und Co.

12Erzbistum Paderborn, Zielbild 2030+, 3.1.3.

13In diesem Impulspapier verstehen wir „missionarisch“, „Missionsgemeinden“ etc. immer im Sinne einer umfassenden Evangelisierung, die dementsprechend „diakonisch-missionarisch“ ist (vgl. Labor-E: Evangelisierung – Reader zum diözesanen Verständnis. Paderborn: 2019. S. 9). Wirkliche Evangelisierung kann sich nur realisieren, wenn sie auch auf die Nöte der Menschen eingeht.

14Z. B. die Zisterzienser, die Unbeschuhte Karmeliten, die Kapuziner u.v.m.

15Neben den historischen Beispielen vor allem des letzten Jahrhunderts ist es auffällig, dass alle katholischen Gemeinden, die in der Öffentlichkeit unter dem Aspekt der Neuevangelisierung bekannt wurden, Formen von Gemeindeneugründungen sind. Beispiele sind hier: St. Benedict (Halifax, Kanada, James Mallon, Divine Renovation): Gründung im Jahr 2010 nach Schließung drei bestehender Pfarreien und deren Kirchen; Church of the Nativity (Timonium, Baltimore, USA, Michael White, Rebuilt): dort ist Michael White seit 1996 erst der zweite Pastor der Gemeinde – und hatte dennoch bereits große Beharrungskräfte zu bearbeiten; Zentrum Johannes Paul II (Wien): Gemeindegründung im Jahr 2015 als Gemeinde „jenseits von territorialen Ordnungen“ (vgl. Kardinal Schönborn: Hirtenbrief zum Prozess Apostelgeschichte 2010 (APG 2010), Wien: 2011, Abschnitte 3 und 4).

16Nach dem Zweiten Weltkrieg war vor allem die Form von Ausgründung aus Muttergemeinden häufig.

17In Deutschland ist dies bspw. der Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland, welcher ein eigenes Referat  für den Bereich Gemeindegründung / Inland-Mission unterhält (https://gemeindegruendung.feg.de/). Im englischsprachigen Bereich ist dieser Bereich noch viel weiter ausgebaut. Vgl. hier unter anderem die Publikationen des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung der Universität Greifswald, besonders im Blick auf „church planting“.

18Es darf gefragt werden: Weshalb sollte ein junger Mensch in einer Diözese seiner geistlichen Berufung folgen, wenn diese Strukturen dem Kernauftrag von Kirche – der Evangelisierung – nicht dienlich sind und damit auch kein persönliches Wachstum möglich ist? Geistliche Gemeinschaften mit Gemeindegründungen sind hier u.U. attraktiver.

19Hier sehen wir große Überschneidungen zu dem, was über Katechese (im allgemeineren Sinn) und Katechumenat bereits gesagt wurde. Hier u. a. Ad Gentes 14, oder auch: „Gleichzeitig lag es der Synode über die Katechese am Herzen, jene Früchte und Werte nicht zu zerstreuen, welche sie aus einer Vergangenheit übernommen hat, die vor allem durch die Sorge um die systematische, vollständige, organische und hierarchische Weitergabe des Glaubens bemüht war.“ (Bischofssynode, XIII. Ordentliche Generalversammlung: Die neue Evangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens)

20„Er [Christus] beruft sie [die Kirche] dazu, jede dieser Eigenschaften[, die eine, heilige, katholische und apostolische zu sein, immer mehr] zu verwirklichen.“ (KKK 811)

21Vgl. Papst Franziskus an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland, 6; bzw. Papst Paul VI.: Evangelii nuntiandi 14.

22Definitionen zu Jüngerschaft u. a. bei James Mallon: Divine Renovation Handbuch, S. 159; Sherry Weddell: Echte Jünger ausbilden, S. 63-64.

23„So sind sie [die die Firmung empfangen haben] in strengerer Weise verpflichtet, den Glauben als wahre Zeugen Christi in Wort und Tat zugleich zu verbreiten und zu verteidigen.“ (Lumen Gentium 11)

24An verbesserte Formen einer Tauferneuerung bzw. eines Katechumenats wären hierbei (gemäß Sacrosanctum Concilium 64) ebenso zu denken, wie an die authentische Befolgung und Beachtung der gemäß dem Katechismus vorgeschriebenen Dispositionen und in der Liturgie abgegebene Versprechen.

25Vgl. Apostolicam Actuositatem 25.

26Vgl. Thomas Frings in „Aus. Amen. Ende?“.

27Vgl. u. a. Lumen Gentium 21, aber auch: Kongregation für den Klerus (2010): Die missionarische Identität des Priesters in der Kirche als eine Ausübung der Tria munera innewohnende Dimension.

28Vgl. Lumen Gentium 31.

29Vgl. Apostolicam Actuositatem 3.

30Nicht zunächst ein „vision statement“, sondern eher eine in Form einer mehrere Seiten umfassenden gemeinsamen Zukunfts-Geschichte.